Theater-AG spielt „Irrfahrt“

Interesse an den Geschichten „dahinter“

Schüler der Müllheimer Georg-Kerschensteiner-Schule proben ihr selbst geschriebenes Theaterstück „Irrfahrt“ / Öffentliche Aufführung am 14. Juli.

Di, 12. Juli 2016
Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der Badischen Zeitung von: Beatrice Ehrlich

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In einfühlsamen Dialogen kommen sich die Darsteller näher. Foto: Beatrice Ehrlich

MÜLLHEIM. Lärmend drängen fünf junge Männer auf die Bühne. Sie klopfen sich auf die Schultern, lachen fröhlich. Eine Gruppe Soldaten kehrt nach 15-jährigem Einsatz nach Hause zurück. Ausgehend von Homers „Odyssee“ haben Schüler der Georg-Kerschensteiner-Schule in Müllheim ein Theaterstück entwickelt, das eine fiktive Heimkehr heute zum Thema hat. Beim Probedurchlauf – noch ohne Kostüme und Kulissen – sind alle hochkonzentriert. Bis zur Premiere ist nicht mehr viel Zeit. Noch feilen die Schüler an den letzten Szenen und ringen um einen stimmigen Schluss.
Das Leben der entlassenen Kämpfer ist weitergegangen. Nicht alle werden zu Hause erwartet wie die Hauptfigur Ody (Christian Moritz), dessen Frau ihm all die Jahre über die Treue gehalten hat. Die meisten finden nicht zurück in ihr altes Leben, oder sie schlagen freiwillig einen anderen Weg ein als geplant. Das Interesse der Schüler, die sich während der Entstehung des Stücks intensiv in die Perspektive ihrer handelnden Figuren hineinversetzt haben, gilt insbesondere den Geschichten „dahinter“, in einer zweiten Handlungsebene: Da streitet Milena mit ihrer Tochter, die ihrem ihr unbekannten Vater vorwirft, die Familie im Stich gelassen zu haben. Und gerade als es so weit ist, dass er jeden Moment vor der Tür stehen könnte, lernt die Mutter einen anderen Mann (Maryan Weichert) kennen.

Das Lyrik-Theater der Georg-Kerschensteiner-Schule ist keine ganz gewöhnliche Theater-AG: Die Schüler verschiedener beruflicher Ausbildungsgänge, des Sozialwissenschaftlichen und des Technischen Gymnasiums schreiben das Stück, das sie später auf die Bühne bringen, komplett selbst. Fast jeder aus der Gruppe habe eine Szene beigesteuert, berichten die Schüler, Stück für Stück sei so die Handlung gewachsen. Eine weitere Eigenheit sind die Gedichte, die im Laufe des Stücks rezitiert werden: von Eichendorff über Brecht bis hin zu einem afghanischen Liebesgedicht, eher gesungen als gesprochen.
Georg Stenger, einem der beiden Betreuer der AG, ist es wichtig, bei den Schülern die Liebe zur Lyrik zu wecken. In ihren darstellerisch fortgeschrittenen Auftritten – unterstützt werden sie dabei vom Theaterpädagogen Uwe Fröhlich – vermitteln die Schüler ihren unbedingten Willen am Spiel. Dialoge, Gruppenszenen, tänzerische Einlagen (einstudiert von Denise Jäger) – nichts fehlt. Die meisten haben schon Theater gespielt, bevor sie an die Kerschensteiner-Schule kamen: Cornelia Hänig zum Beispiel, die die Milena spielt. Sie war überrascht, wie schnell in diesem Fall die Gruppe zusammengewachsen ist: „Wir waren am Anfang einmal zusammen essen und im Kino, und schon war es, als ob wir uns ewig kennen.“ Rebecca Fedder, im Stück Milenas Tochter Jenny, hat inoffiziell die Rolle einer Art Regisseurin übernommen – was aber nicht heißt, dass nicht weiterhin alle mitreden sollen. Eren Göz, der viel Wert darauf legt, zu vermitteln, wohin falsch verstandener Patriotismus führen kann – „ich bin selber Patriot“ sagt er –, hat auch schon als Kind mit Begeisterung Theater gespielt.Zum ersten Mal auf der Bühne steht beim diesem Projekt Hamid Hossini aus Afghanistan, der erst seit zweieinhalb Jahren in Deutschland ist. Durch eine Durchsage in der Schule ist er auf die AG aufmerksam geworden und hat sich daraufhin sofort im Schulsekretariat gemeldet. Für ihn erfüllt sich damit ein Kindheitstraum: Damals habe er die Schauspieler im Fernsehen bewundert, wie er in flüssigem Deutsch berichtet. Die filmischen Übergänge, die Paul Graf konzipiert, gedreht, geschnitten und mit Musik unterlegt hat, sind der rote Faden, der das Stück zusammenhält.

Die Aufführung: „Irrfahrt – ein Stück über Weggehen und Ankommen“ des Lyrik-Theaters an der Georg-Kerschensteiner-Schule wird neben der schulinternen Premiere am 12. Juli öffentlich aufgeführt am Donnerstag, den 14. Juli, um 19 Uhr in der Aula der Michael-Friedrich-Wild-Schule. Neben den Genannten spielen außerdem Svetlana Kovalenko und Stefanie Weiß.

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