Mehr als nur ein Praktikum
Arbeitsplatzprojekt der Malteserschlossschule trägt Früchte.
15. Januar 2011
Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der Badischen Zeitung.
von: Sabine Model
MARKGRÄFLERLAND. Vor 20 Jahren war der Bildungsweg für Menschen mit Lernschwächen oder geistiger Behinderung klar vorgegeben: Sonderschule und Caritaswerkstatt. Das ist noch heute für viele so. Aber seit 2005 wird in der Malteserschlossschule in Heitersheim differenziert. Was als Arbeitsplatzreifeprojekt begann, hat sich inzwischen zu einer berufsvorbereitenden Einrichtung entwickelt.
Von den mittlerweile zehn bis elf Schülerinnen und Schülern pro Jahrgang im Praktikum kommt rund die Hälfte über einen Hauptschulabschluss, eine einfache Ausbildung oder als Hilfskraft auf den ersten Arbeitsmarkt. Immer mittwochs ziehen Fachlehrer Thomas Schrecker und die Lehramtsanwärterin Lina Klinge in sonderpädagogischer Mission durch die Lande und besuchen ihre Praktikanten in den Ausbildungsbetrieben. Die 20-jährige Tatjana Geier aus Müllheim zum Beispiel füllt bei „Kaffee Fredo“ in Sulzburg Kaffeebohnen in Tüten, wiegt ab, verschweißt und klebt Etiketten. Der 17-jährige Benny Roth aus Neuenburg richtet beim Autohaus Leiner in Müllheim Autos her und macht sich in der Werkstatt nützlich.
Seit einem Jahr können sich junge Menschen mit Behinderung in Kooperation mit der Georg-Kerschensteiner-Schule in Müllheim auf das Arbeitsleben vorbereiten. Das ermöglicht ihnen eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Bewährt hat sich dabei auch das Tandem-Projekt, bei dem einjährige Berufsschüler assistierend Verantwortung als Projektpartner für die Schüler der Malteserschlossschule oder der Förderschule übernehmen.
Praktikumsplätze für möglichst unterschiedliche Angebote zu finden, sei freilich nach wie vor schwierig, sagt Thomas Schrecker. Auf einen Platz kämen sechs Absagen. Gleichwohl arbeitet er inzwischen mit 29 Betrieben zusammen. Das ist wichtig. Denn oft brauchen seine Schützlinge mehrere Anläufe, um sich zu orientieren. Tatjana Geier beispielsweise hat seit anderthalb Jahren Erfahrung in der Arbeitswelt. Bisher war sie in der Montage tätig. Jetzt weiß sie, wo sie hingehört. Sie ist akkurat, verantwortungsbewusst, still und angenehm einzubinden. Das findet auch Gerhard Maier, Chef von Kaffee Fredo in Sulzburg und Neuenburg. Seit sechs Jahren betreibt er seine Kafferösterei in Sulzburg und hat in seinem früheren Betrieb schon eine Behinderte beschäftigt. „Es ist wichtig, diesen Menschen eine Aufgabe zu geben und sie nicht auszugrenzen“, sagt er. „Tatjana Geier passt perfekt in unseren kleinen Betrieb.“ Sie sei pünktlich, lernfähig und arbeite so überlegt, dass er manchmal nur staune.
Jeden Montag und Dienstag hat sie Unterricht. Auch dort stellt Thomas Schrecker besondere Fähigkeiten am Computer fest. „Aber was sie hier lernen kann, lernt sie in keinem Klassenzimmer der Welt“, räumt er ein. Im Frühjahr möchte Gerhard Maier seine Praktikantin sozialversicherungspflichtig beschäftigen. Er könne sich vorstellen, ihr Aufgabengebiet in Neuenburg auf den Service und die Bäckerei auszudehnen.
Für Thomas Schrecker sind Menschen wie Gerhard Maier oder Ingrid und Johannes Leiner „Vorzeige-Arbeitgeber“. Im Müllheimer Autohaus Leiner hat Benny Roth eine zweite Heimat gefunden. „Für seine Möglichkeiten erledigt Benny die Arbeiten hervorragend“, lobt der Chef. Der 17-Jährige hat Schwierigkeiten mit Zahlen und Schrift. Er lernt über Bilder. „Aber was man ihm gezeigt hat, das kann er“, sagt Johannes Leiner. Post und Ersatzteile holen, sind seine Standard-Botengänge. Mit Werkstattfegen fing der Innendienst an. Heute reinigt er mit einer Maschine alte Felgen. Er richtet Gebrauchtwagen her und weiß, was zu tun ist, wenn ein Neuwagen fertig gemacht werden muss. Den Führerschein wird Benny Roth nie machen können, wegen der Theorie. Highlights sind deshalb für ihn Fahrten nach Frankfurt, um Autos zu holen. „Seit einem Jahr wird sein Aufgabenbereich kontinuierlich erweitert. Und das wird so bleiben“, verspricht Leiner.
Benny Roth gehört dazu. Sogar Samstag und Sonntag schaut er rund um die Werkstatt nach dem rechten. Wenn die Leiner-Söhne da sind, gibt es sogar Familienanschluss. „Für Benny wäre es ein Alptraum, wenn er nicht mehr kommen dürfte“, weiß der Chef. Deshalb möchte er ihn in diesem Jahr einstellen. Besonders freut sich Benny auch über die Einladung zu Betriebsfeiern, zu denen auch Thomas Schrecker kommt. „Das ist gelebte Integration“, meint der Fachlehrer und wünscht sich 2011 mehr solcher „Helden des Alltags“.
Nähere Informationen unter www.malteserschlossschule.de