Vom Meister lernen

Vom Meister lernen (veröffentlicht am Di, 13. Februar 2018 auf badische-zeitung.de)

Von Beatrice Ehrlich, Di, 13. Februar 2018

Lehrer aus Südkorea informierten sich an der Georg-Kerschensteiner-Schule über Bildungswege im Bereich neue Technologien.

MÜLLHEIM. Unübertrefflich in Technik und Handwerk: Dieser Ruf eilt den Deutschen noch immer voraus – so stark, dass die südkoreanische Regierung Lehrer nach Baden-Württemberg entsendet, um sich über Ausbildungswege und Unterrichtsmethoden zu informieren. Auch in Müllheim.

Auf Initiative von Jessica Graf, Lehrerin im Fach Elektrotechnik, waren Miae Lee und Yong Kwan Lee drei Wochen lang an der Georg-Kerschensteiner-Schule zu Gast. Bei einem Besuch in Korea im März wird Graf im Gegenzug das koreanische Schulsystem kennenlernen, dessen Schüler in internationalen Vergleichen stets herausragend abschneiden.

Für Grafs elfte Klasse des Technischen Gymnasiums ist die Laborstunde mit Yong Kwan Lee eine willkommene Abwechslung zur anspruchsvollen Theorie. Auf einer vorbereiteten Platine wird mit LED-Lämpchen und Widerständen ein Schaltkreis aufgebaut mit dem Ziel, ein rosa Herz zum Blinken zu bringen. Geschickt hantieren die Schüler und eine Schülerin mit den Lötkolben, lassen die Drähtchen schmelzen zu winzigen Ankerpunkten in der Platine. Die Erklärungen und Tafelanschriebe auf Englisch bereiten ihnen keinerlei Probleme, denn die in der Elektronik verwendeten Kürzel sind international bekannt. „Gute Lötarbeit“, lobt Lehrerin Graf, die abwechselnd mit ihrem koreanischen Kollegen den Schülern über die Schultern schaut.
Die Gastlehrer richten besonderes Augenmerk auf die Vorrichtungen und Geräte, die den Schülern hier zur Verfügung stehen und halten ihre Beobachtungen auch mit der Kamera fest. Beeindruckt sind sie von der speziellen Halterungsvorrichtung zum Löten: „Das sieht bei uns ganz anders aus.“

Der Austausch ist kurz – drei Wochen – aber intensiv: In einem dicht gepackten Rahmenprogramm haben die beiden Gastlehrer in den vergangenen zwei Wochen schon viel gesehen. Sie waren im Fraunhofer-Institut und im Freiburger Münster, am Titisee und in einer Brauerei, immer in Begleitung ihrer Gastgeber. Im Gegenzug haben die beiden Koreaner die Schüler in einem ausführlichen landeskundlichen Vortrag informiert über Sitten und Gepflogenheiten in ihrem Land. Schulleiterin Beate Wagner freut sich sehr, ihren Schülern solche Einblicke aus erster Hand zu ermöglichen und damit ihren Blick zu weiten für globale Zusammenhänge.

Miae Lee unterrichtet an einer angesehen Schule in Seoul mit einem Schwerpunkt auf Robotik. Sie hat unter anderem zwei Jahre in den USA studiert und spricht fließend Englisch. Mit großem Interesse nimmt sie alles auf, was sie erfahren kann. Beim Vergleich des deutschen mit dem koreanischen Schulsystem stellt sie fest, dass es hier wie dort eine Gliederung gibt in einen studienvorbereitenden und einen eher berufsvorbereitenden Zweig: nur eines von vielen Dingen, die ähnlich sind in den beiden Ländern.

Ein ganz neuer Schultyp, zu dem auch ihre Schule gehört, trägt in Anlehnung an den deutschen Handwerksmeister das deutsche Wort Meister sogar im Namen: die „Meister High School“. Eine solche ist auch Miae Lees Schule, die Seoul Robotics High School sowie die Gongju Meister High School, an der ihr Kollege unterrichtet. Um ein Stipendium an einer solchen stark auf eine bestimmte Technologie ausgerichteten und entsprechend großzügig ausgestatteten Schule bewerben sich laut Lee Schüler aus dem ganzen Land, die Absolventen sind gefragte Arbeitskräfte in der Industrie. Lees Spezialgebiet ist Robotik. Seit sie mitbekommen hat, dass auch die Kerschensteiner-Schule im Besitz zweier topmoderner Nao-Roboter ist, will sie sich, neben Hospitationen im Unterricht und eigenen Vorträgen, auch unbedingt noch mit dem Müllheimer Robotik-Kollegen speziell zu diesem Thema austauschen.

Ihr Interesse geht aber weit über ihr Fachgebiet hinaus: Arbeitszeiten und Verdienst, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, aber auch die berufliche Eingliederung von Zuwanderern aus anderen Ländern, die aufgrund der niedrigen Geburtenrate auch im wirtschaftlich erfolgreichen Südkorea dringend als Arbeitskräfte gebraucht werden – Themen, die sie zu Hause umtreiben, sind, so hat sie beobachtet, auch hier ganz aktuell. Für die von vielen Koreanern erhoffte Wiedervereinigung ihrer beiden Landesteile sei Deutschland zudem ein großes Vorbild.

Und dann ihr Beruf als Lehrerin: Trotz täglicher achtstündiger Präsenzpflicht an ihrer Schule habe sie mit nur zwölf Wochenstunden deutlich weniger Unterricht zu halten als ihre deutsche Kollegin mit 26 Stunden. Dafür können die nach Schulschluss nach Hause gehen, sich ihre Korrektur- und Vorbereitungszeit freier einteilen, in Korea unvorstellbar. In den Ländern, die sie besucht, besichtigt die Mutter zweier Kinder im Jugendalter am liebsten die Universitäten und dort die Bibliotheken. Konstanz und Tübingen stehen ihr in ihrer verbleibenden Woche im Südwesten noch auf dem Programm.

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